Ausgabe 39: Frühjahr / Sommer 2019

Transportlogistik der Zukunft

Eine smarte Branche: unter Strom und voll digital

Überlange, selbstfahrende Lkw rollen nahezu geräuschund emissionslos über die Autobahnen; die Fahrzeuge sind vernetzt, kommunizierten untereinander und leiten selbstständig relevante Informationen weiter; die Be- und Entladung passiert via Smartphone-App und spart so Zeit und Ressourcen. Schon in wenigen Jahren könnte diese Zukunftsvision Wirklichkeit werden. Zumindest die technische Machbarkeit wurde bereits unter Beweis gestellt. Die TU München hat das Projekt „Truck2030“ bei der IAA Nutzfahrzeuge in Hannover vorgestellt. Ein möglicher Lösungsansatz, um den steigenden Güterverkehr und damit die überregionale Grundversorgung auch in Zukunft sicherstellen zu können. Die zunehmende Digitalisierung, der akute Fahrermangel, immer strengere Abgasnormen und sich ständig verschärfende EU-Regularien verlangen nach neuen Mobilitätskonzepten im Güterverkehr. Möglichst umweltfreundlich – möglichst wirtschaftlich.

Digitale Kommunikation

„Digitalisierung ist bereits seit Jahren ein großes Thema und wird auch in Zukunft eine enorme Rolle spielen“, bestätigt Marco della Pietra, Niederlassungsleiter der L.I.T Speditions GmbH in Villach, deren Schwerpunkt des Leistungsangebotes in Österreich die Durchführung von Jumbo-Transporten ist. „Fast 95 Prozent der Kom- Der Lang-LKW mit einer Länge von 25,25 Metern ist über weite Strecken hindurch selbstfahrend. Frühjahr/Sommer 2019 Seite 11 munikation läuft bereits digital – sowohl zwischen dem Kunden und dem Spediteur als auch innerhalb des Unternehmens“, so della Pietra, „Aufträge gehen digital ein und werden über Schnittstellen direkt in unserem System disponiert. Adressen von Lade- und Entladestellen werden im Haus geocodiert und mit dem Auftrag direkt auf das Tablet des Fahrers im Fahrzeug überspielt. Von der Digitalisierung profitiert die Branche vor allem durch effizientere Logistikabläufe und der Vernetzung von Lkw, Lager, Kunden und Lieferanten.“ Für die Zukunft wird es Lösungen geben müssen – nicht zuletzt auch wegen des akuten Fahrermangels, der sich immer mehr zuspitzt und die Branche vor große Herausforderungen stellt: „Es fehlen Tausende Fahrer in Österreich für den internationalen Verkehr – wenn sich nicht gravierend etwas ändert, werden irgendwann LKW nicht mehr in Gang gesetzt werden können. Ohne den Fahrern und Speditionen aus dem osteuropäischen Bereich hätten wir in Europa bereits jetzt einen massiven Versorgungsengpass am internationalen Verkehr.“

Intelligente, multimodale Logistikketten

Die Straße wird als Teil des Gütertransports immer eine Rolle spielen; die Suche nach alternativen Antrieben, die das Potenzial haben, über kurz oder lang den Verbrennungsmotor abzulösen, wird ein nächster wesentlicher Entwicklungsschritt. Während der reine Elektroantrieb für schwere Transporter auf der Langstrecke aktuell noch an seine Grenzen stößt, ist der E-Antrieb im städtischen Verteilerverkehr bereits längst angekommen: im September hat der deutsche Lkw-Hersteller MAN im Werk Steyr beispielsweise acht Elektro-Trucks an seine Kunden übergeben. Von dieser Fahrzeugtype soll heuer eine Kleinserie von bis zu 100 Stück produziert werden. Der Lkw wird auch künftig das Straßenbild prägen – die Logistikkette funktioniert multimodal: „Auf einen Zug bekomme ich bis zu 37 Lkw-Ladungen“, so della Pietra, „multimodale Transportoptionen, das heißt, dass auf dem Transportweg die Güter über unterschiedliche Verkehrsträger wie etwa der Lkw, Containerschiff oder die Schiene befördert werden, werden ganz klar die Zukunft bestimmen.“ Nicht nur für Österreich, sondern für ganz Europa. Voraussetzung dafür ist eine moderne, kapazitätsstarke und wirtschaftliche Infrastruktur.

Von der Straße auf die Schiene

„Wir sind mitten im Dreiländereck sowie an den Schnittpunkten zur Baltisch-Adriatischen Achse und der Tauernachse eine wichtige, internationale Drehscheibe“, so Günther Einetter, Leiter vom Terminal Service Austria der ÖBB Infrastruktur AG in Fürnitz bei Villach, „und können Straße und Schiene im grenzüberschreitenden Güterverkehr auf schnellstem Weg verbinden.“ Im kombinierten Ladungsverkehr muss man sich täglich neuen Herausforderungen stellen, „und das, was heute normal und absehbar ist, kann morgen schon wieder ganz anders aussehen“, weiß auch Einetter, „wir haben bereits viele zukunftsorientierte Projekte umgesetzt, viele weitere Konzepte, Innovationen und Entwicklungen sind bereits in Planung.“ Der Marktanteil der Schiene im Güterverkehr lag 2017 in Österreich bei rund 31 Prozent – Tendenz weiter steigend; 2025 soll sich der Anteil bei rund 40 Prozent bewegen. Die Fakten sowohl ökologisch als auch ökonomisch sprechen für sich: große Mengen an Gütern können schnell, sicher und auch über die Kontinente hinweg transportiert werden. Aktuellstes Beispiel dafür ist das Projekt der „Neuen Seidenstraße“ – eine von China geplante Handelsroute, die Transportzeiten und Auslastungen optimieren soll. Über allen Bemühungen steht das Ziel einer schnellen, kostengünstigen und umweltfreundlichen Logistik-Lösung. „Die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung hat bis jetzt vor allem organisatorische Abläufe grundlegend verändert. Aber der Mensch wird nie ersetzbar werden“, so Einetter, „gut ausgebildete Fachkräfte wird man immer brauchen, um diese Systeme zu bedienen. Denn am Ende des Tages ist jedes Computerprogramm nur so gut, wie die Menschen, die es bedienen. Und dafür brauchen wir auch in Zukunft qualifizierte Mitarbeiter.“

Text: Gerlinde Tscheplak