Wie ticken die Generationen der Zukunft?
Sie werden oft als „superschlau, supergebildet, überbehütet, extrem flexibel, aber auch gewohnt, dass sich alles auf sie einstellt – von den Eltern bis zur Innenbeleuchtung“ beschrieben. Sie wachsen auf in Zeiten digitaler Vernetzung und fortschreitender Globalisierung. Wie ticken die jungen Menschen von heute, wie ist ihr künftiges Verhalten in der Arbeitswelt, und wer und was prägt sie?
Simon Schnetzer ist einer der führenden Trend- und Jugendforscher in Europa und Experte für die Generationen Y, Z und Alpha sowie das Generationenmiteinander.
Einige Experten und Forscher meinen, der Generationensprung von Z (bezeichnet junge Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind) zu Alpha (geboren in den Jahren zwischen 2010 und 2024) sei der bedeutendste in der Geschichte. Wer ist jetzt diese jüngste Generation Alpha, was macht sie aus, und wie tickt sie?
Simon Schnetzer: Die Forschung mit der Generation Alpha ist ja nicht ganz einfach. Die jungen Menschen sind aktuell höchstens 14 Jahre alt, und wenn wir über die jungen Menschen Aussagen treffen wollen, ist alles unter Vorbehalt, weil viele dieser jungen Menschen ja noch nicht einmal die Pubertät erlebt haben, und in dieser Zeit passiert einfach viel. Also wenn wir Aussagen über die Arbeitswelt von morgen auf Grund der Generation Alpha von heute treffen wollen, dann schauen wir in der Regel, welche Trends, die wir bereits bei der Generation Z sehen, sich verstärken sich oder abschwächen werden; zum Beispiel was das Social-Media-Verhalten der jungen Menschen und die Auseinandersetzung mit digitalen Geräten anbelangt. Viele der Alphas nutzen Smartphone und Co schon ab einem Alter von unter 10 Jahren.
Die beiden jüngsten Generationen Z und Alpha sind jetzt ja beide sog. Digital Natives – also mit digitalen Medien von klein auf konfrontiert. Snapchat, YouTube, Netflix oder Google Maps gehören wie selbstverständlich zu ihrem Lebensalltag. Was unterscheidet die Generation Alpha nun aber dennoch von der Vorgängergeneration?
Für die Generation Z ist es normal, mit Smartphones und sozialen Medien aufzuwachsen, sie ist auch bereits in der Schulzeit vernetzt; allerdings wächst sie auch in einer Phase auf, in der ganz viele von diesen Medien noch nicht richtig reguliert sind. Es herrscht noch der Wilde Westen der Social-MediaAnwendungen, und die regulierenden Behörden fragen sich, wie wir mit denen richtig umgehen. Es ist noch eine Phase des Übergangs.
Die Generation Z wächst also auf als Digital Natives in einem noch stark analog geprägten Umfeld – in dem erst ein Umdenken stattfindet, ein Sich-Anpassen an dieses digitale Denken und das veränderte Sozialverhalten – genauso wie die Arbeitswelt, die merkt, wenn sie Bewerbungszyklen haben, da kommt eine Bewerbung rein, und sie schicken zwei oder vier Wochen später einen Brief an diese Person, dann rechnet diese gar nicht mehr mit einer Antwort. Das heißt, wir müssen hier viel schneller werden. Digital Natives in einem nichtdigitalen Umfeld führen zu Anpassungserscheinungen, und die Generation Alpha wird hier einen schon etwas vorbereiteten Weg vorfinden.
Mentale Gesundheit bzw. psychische Probleme – auch als Nachwehen der Corona-Pandemie – sind schon die großen Herausforderungen der Generation Z. Wie kann die Generation Alpha jetzt wieder mental fitter werden?
Reden wir doch einmal konkret: Woher kommen diese psychischen Probleme? Wenn ein junger Mensch früher in der Schule gemobbt wurde, ist er nach Hause gegangen, konnte hoffentlich irgendwann einmal die Zimmertür zumachen – und dann war Ruhe. Ja, vielleicht war nicht alles gut, aber er wurde jedenfalls nicht weiter belästigt. Heutzutage gibt es diesen Rückzugsraum durch das Smartphone und Always on nicht mehr. Es geht permanent weiter, und junge Menschen kommen gar nicht so richtig zur Ruhe.
Aber genau das brauchen junge Menschen, um mental wieder fitter zu werden: diesen Rückzugsraum, diese Zeit, in der sie einmal offline sind. Da sollten wir als Gesellschaft auch junge Menschen stärker in den Schutz nehmen, z. B. mit einem flächendeckenden Handyverbot an Schulen für unter 12- oder 14-Jährige. Natürlich sollten sie auch mit diesen Geräten etwas lernen können, aber sie müssen es nicht dauernd im Einsatz haben; und es ist eben total wichtig, dass wir jungen Menschen eine Pause zum Durchschnaufen geben und um sich auf Dinge konzentrieren zu können.
Welche Skills werden junge Menschen brauchen, um – auch in diesem Umfeld, das geprägt von Bedrohungen des Klimawandels, gesellschaftlicher Spaltungen und Kriegen ist – trotzdem zu resilienten, starken und positiven Persönlichkeiten heranzuwachsen?
Es verlangt jungen Menschen aktuell sehr viel ab, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Leider sind unsere Politik und auch unsere Vereinskultur sowie Schulen nicht davon geprägt, dass wir sehr stark auf das Thema Beteiligung setzen, denn genau das wäre es, das jungen Menschen in Zeiten der Krisen Zuversicht gibt: dass sie Krisen nicht als etwas erleben, was sie ohnmächtig mitansehen müssen, sondern etwas, wo sie an Lösungen mitarbeiten können. Ich kann im Moment noch gar nicht sagen, ob die Alphas all diese Skills haben werden, aber sie wachsen mit der Herausforderung auf, abzugleichen, ob das, was ein Algorithmus ihnen vorschlägt, wirklich das Bessere für sie ist. Das haben die Zs mittlerweile auch schon – das fängt damit an wie: „Vertraue ich dem, was mir Google Maps vorschlägt, oder meiner Intuition, dass ich, wenn ich gerade aus das Ziel sehe, trotzdem links, links, rechts, rechts gehen muss?“ Genau dasselbe zieht sich auch durchs ganze Leben durch. Also junge Menschen werden eine Wahnsinnsmedienkompetenz haben müssen, um in der Zukunft gut navigieren zu können. Sie werden auch die Fähigkeit benötigen, mit älteren Menschen auszuhandeln, welche Geschwindigkeit gesellschaftlich die richtige ist, und dabei die Geduld haben müssen, weil wir die Geschwindigkeit nicht einfach ganz schnell nach oben drehen können. Auch wenn es wohl gerade das bräuchte, um z. B. auch international wettbewerbsfähig zu bleiben.
In den vielen Zukunftsworkshops mit Jugendlichen erlebe ich, dass – wenn wir es zulassen – sie ihre Kreativität ausleben können, dass unglaublich viel Potenzial in diesen jungen Menschen steckt und dass sie sich mit sowie für das, was wir letztlich Zukunft nennen, identifizieren sowie motivieren können. Was leider passiert, ist, dass wir häufig Restriktionen einführen und dass wir ihnen nicht den Raum dafür geben. Hier wünsche ich uns als Gesellschaft den Mut, dass wir der Generation Alpha auch zutrauen und ihr sagen: „Mach doch mal!“
Text: Gerlinde Tscheplak